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Suspendierungs-Wahnsinn


Draußen auf dem Schulhof herrscht eisige Kälte und bereits 20 Minuten der Pause sind überstanden. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigt, dass es nur noch wenige Minuten bis zum Pausenschluss sind, die einen daran hindern, in die Wärme zu gehen, um seine Fingerspitzen wieder spüren zu dürfen. Es sind diese flüchtigen Momente in der Schullaufbahn, in denen man doch tatsächlich lieber im Unterricht neben der halb-defekten Heizung sitzen möchte, als sich draußen durch die Pause quälen zu müssen. Aber auf diese paar Minuten bis zum Unterrichtsbeginn kommt es doch sowieso nicht an, oder? Und die Lehrkräfte werden sicherlich nicht so streng sein, uns gleich wieder raus zu schicken, stimmt's?

Doch falsch gedacht.

Seit einigen Wochen und insbesondere in den vergangenen paar Tagen hört man die Mitschüler*innen von Pause zu Pause von immer kurioseren Geschehnissen über die Pausenaufsichten berichten. Es fing, im Vergleich zu den aktuellsten Ereignissen, harmlos und skurril zugleich an. Aus eigener Erfahrung kann ich bereits etliche Male aufzählen, in denen Lehrkräfte enorm voreingenommen und in sehr lautem Tonfall auf uns Schüler*innen zu kamen, nur um uns raus zu schicken. Ob wir gute Gründe dafür haben rein zu gehen war egal, weil die Chance auf Rechtfertigungen nicht einmal gegeben war. Denn die Worte „keine Widerrede“ sind viel öfter gefallen als eigentlich nötig. Ein besonders merkwürdiges, ja fast schon lustiges Aufeinandertreffen, mit einer Lehrkraft, stellte für einige von uns den Anfang des ganzen Dilemmas dar; es ist Pause und trotz der momentanen Regelungen wurde sich nicht daran gehalten, den Kursraum zu verlassen. Mit sperrangelweitem Fenster, angeschaltetem Luftfilter und hochgezogenen Masken wird seelenruhig im Kursraum gesessen, so wie man es auch im Unterricht tun würde, als aus dem Nichts eine Lehrkraft die Tür mit einem Knall aufreißt und uns tatsächlich mit den folgenden Worten anbrüllt: „DIGGAAA! IHR SOLLT HIER RAUS, VERDAMMT!“

Und da saßen wir. Baff.
„Hat er/sie gerade 'Digga' gesagt?“
„Habe ich mich verhört?“
„Leute, ich muss so lachen.“

Nicht nur der unangemessene Umgang mit Schüler*innen, sondern auch die Tatsache, dass so eine Artikulation kontraproduktiv ist, wenn man als Lehrkraft gerade besonders ernst genommen werden möchte, sind in solch einer Situation weder zielführend und noch fair. Es ist schlichtweg eine bewusste Einschüchterung junger Menschen, die nicht einmal die Erlaubnis bekommen, einen Mucks von sich zu geben.

Trotz all dem ist allerdings (hoffentlich) jedem bewusst, dass hinter allen Vorschriften der Sinn steckt, gegen die hohen Infektionszahlen anzukämpfen, die im Winter mittlerweile bereits für uns üblich sind, um eine Schulschließung zu verhindern. So ernst die ganze Thematik aber auch ist, müssen wir als Kollektiv strikte Grenzen setzen, die nicht überschritten werden sollten, wenn ein respektvolles Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schüler*innen gewünscht ist

Bei zuvor erwähntem Geschehniss wurde es aber leider nicht belassen. Am Dienstag, den 14.12. wurden tatsächlich zwei Oberstufenschülerinnen für den restlichen Schultag suspendiert. Der Grund dafür war laut Natascha (eine der beiden Betroffenen), dass sie und ihre Freundin Michelle in der Pause im Gang saßen. „Wir saßen da vielleicht 30 Sekunden, also wenn überhaupt. Ich hätte mir in der kurzen Zeit gerade Mal die Schnürsenkel zu binden können. Wir hatten unsere Masken auf und haben nichts gegessen“, erklärte Natascha die Situation kurz bevor sie eine Lehrkraft erwischt hatte. Es wurde sich also an die ihnen bekannten Regeln gehalten und den Aussagen der beiden zufolge, waren sie nicht darüber informiert, dass selbst Oberstufenschüler*innen mittlerweile nicht mehr in der Pause sitzen dürfen, solange sie die Schutzmaßnahmen einhalten. Somit gab es hier ganz offensichtlich Gesprächsbedarf. Doch auf die Frage, ob diese Pausenaufsicht zuerst alles in angemessenem Tonfall kommunizieren wollte, antwortete Natascha: „Die Lehrkraft hat nicht mit sich reden lassen. Wir konnten ihm/ihr die Situation nicht erklären, wir konnten gar nichts machen. Er/Sie wurde direkt richtig aggressiv.“

Die ersten Worte der Lehrkraft sollen zudem „Ihr geht jetzt sofort nach Hause!“ gewesen sein und bei jeglicher Widerrede wurden die Schüler*innen mit dem Einwurf „kein Aber“ erneut zum Schweigen gebracht. Also verließen sie umgehend das Schulgelände und versäumten den Unterricht des ganzen restlichen Tages dafür, dass sie nur etwa 30 Sekunden mit Masken im Gang saßen. Wie unverhältnismäßig die Konsequenzen waren, steht also gar nicht erst zur Frage.

Doch auf jede Konsequenz beruht eine Tat. Auch Natascha und Michelle sind sich ihrem Fehler im Nachhinein sehr wohl bewusst, wie sie uns bestätigten. „Ich verstehe das alles mit den Maßnahmen, stehe dahinter und kann auch nachvollziehen, warum das alles getan werden muss“, so Natascha. Die neuen Regeln sind aber keine Entschuldigung dafür, dass den Schüler*innen unfair und mit wenig Respekt entgegen getreten wurde. „Was mir aber nicht passt, ist, 1. dass niemand so wirklich mit uns über die Änderungen geredet hat und 2. dass wir uns nicht einmal rechtfertigen konnten“, beschreibt Natascha ihre Bedenken. Wichtig zu wissen ist allerdings, dass es zwar eine Mail und eine Durchsage über die neuen Regeln gab, es allerdings am effektivsten gewesen wäre, die Lehrkräfte zu beauftragen, ihre jeweiligen Klassen/Kurse für zwei Minuten darüber aufzuklären, was für wichtige Maßnahmen eingeführt wurden. Nicht nur würde diese zusätzliche Vorgehensweise die Wichtigkeit der neuen Regeln untermauern, sondern auch das Erreichen aller ca. 840  Schüler*innen garantieren.

Außerdem betonte die Schülerin mit einer bestimmten Aussage den ausschlaggebenden Punkt: „Frau/Herr … war einfach unfassbar respektlos zu uns und das geht so einfach nicht. Vor allem weil ich ihn/sie schon so lange kenne. Es ist alles irgendwie so ein bisschen lächerlich.“

Wieso müssen Schüler*innen und Lehrerkräfte unter Respektlosigkeit leiden, wenn es doch auch ganz anders geht? Dass die Pausenaufsichten die Nerven verlieren, wenn sie zuvor zehn Fünftklässler*innen raus schicken mussten, ist sehr verständlich. Aber junge und alte, wütende und seelenruhige Lehrkräfte sollten sich vor allem immer dann beherrschen können, wenn es darum geht mit älteren Schüler*innen zu sprechen. Seit der fünften Klasse wurde uns Schüler*innen immer und immer wieder aufs Neue gesagt, dass wir als Oberstufenschüler*innen eines Tages mal auf einer Augenhöhe mit den Lehrkräften sein werden und uns dementsprechend entgegen getreten wird. „Von nun an werde ich Sie siezen“ ist noch lange kein Zeichen des Respekts. Was wir möchten, ist ein offener Austausch, direkte, höfliche Kommunikation und endlich wieder eine angenehme Atmosphäre an dem Ort, wo wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen müssen, mit den Menschen, die wir jeden Tag sehen.

Liebe Lehrkräfte,

die Nerven liegen derzeit blank und die Überforderung siegt über die Höflichkeitsfloskeln und das aufgesetzte Lächeln. Wir alle möchten den ersten Winter ohne Lockdown seit Anfang 2020 gemeinsam überstehen und uns das Berufs- und Schulleben nicht gegenseitig erschweren, sondern als eine harmonische Einheit für die Einhaltung der neuen Regelungen sorgen. Dafür nehmen wir Schüler*innen in Zukunft auch ohne Widerrede die bitterkalten 25 Minuten in den Pausen in Kauf. Denn alles ist uns lieber, als ein Grund dafür zu sein, dass Ihre Laune sich, zur eigentlich doch ganz schönen Weihnachtszeit, verschlechtert. Da jedoch alles auf Gegenseitigkeit beruht, bitten auch wir um einen freundlicheren Umgang mit uns, eine erneute Klarstellung der aktuellen Maßnahmen durch bspw. zuvor erwähnten Vorschlag und fairere Konsequenzen für die Regelbrecher*innen.

Die Lehrpersonen sind nicht das Ordnungsamt und für die Parkraumüberwachung zuständig. Wir sind eine pädagogische Anstalt, wo der erste Ansatz das Gespräch sein sollte.

Das Glocke-Team möchte die Schule zu einem besseren Ort machen. Aber dafür müssen wir und Sie mit anpacken.

 

 

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